Gibt es den Ingenieur-Fachkräftemangel?

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Fabulus
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Gibt es den Ingenieur-Fachkräftemangel?

Beitrag von Fabulus » Sa, 21. Jun. 14, 17:39

Die (frisierte) Arbeitslosenquote ist auf dem niedrigsten Stand seit Jahren, der Jobmotor läuft und an den Hochschulen sind so viele Ingenieur-Studenten wie noch nie eingeschrieben. Und trotzdem gibt es Fachkräftemangel...

Ich bin jetzt im Master (VT M.Sc.) und werde demnächst auch in den Beruf einsteigen (vorausgesetzt ich promoviere nicht mehr), habe aber in letzter Zeit ein leicht mulmiges Gefühl, weil das Feedback fertig studierter Ingenieur-Kollegen nicht so rosig klingt, wie man nach dem Fachkräftemangel-Hype allgemein erwartet hätte...

Daher würden mich eure Erfahrungen und die eurer Bekannten interessieren, inwiefern das von den Medien generierte Bild mit der Realität übereinstimmt :wink:

Grüße, Fabulus

Bismarck
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Beitrag von Bismarck » Sa, 21. Jun. 14, 19:54

Ich habe meinen Bachelor und Master an der TUHH gemacht und arbeite seit einer gewissen Zeit bei einem großem Unternehmen und kann dir eines ganz sicher sagen:

Es gibt sicher keinen Fachkräftemangel an TU Studenten!

Der Markt ist voll mit Ings. Jede Kleinstadt lässt pro Jahr hunderte Msc auf den Markt.

rangarig
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Beitrag von rangarig » Sa, 21. Jun. 14, 20:15

Kann mich meinem Vorredner nur anschließen.

Der Markt ist voll an Jung-Ings, die in der Regel so unvorbereitet aus dem Studium in den Arbeitsmarkt kommen, dass kaum ein Arbeitgeber interessiert ist. In den meisten Fällen soll die "Einarbeitung" lieber von Dienstleistern übernommen werden, so dass ein Direkteinstieg nur möglich ist, wenn man viel Eigeninitiative an den Tag legt.

Ich hatte das Glück durch meine externe Diplomarbeit bei einem großen Konzern interessant zu machen, so dass sich mir der Direkteinstieg eröffnet hat. In der letzten Zeit habe ich einige Studenten im Konzern bei ihrer Abschlussarbeit betreut - kaum einer hat sich bei der Jobsuche danach leicht getan.

Dazu kommt das wahnwitzige Anspruchsdenken und die geringe Flexibilität. Natürlich kann man, wenn man Glück hat, mit >55000 brutto einsteigen. Beim Dienstleister sind aber selten mehr als 45000 drin - eher weniger, da stimmen die Ranking-Zahlen nicht wirklich!
Weiterhin ist gerade der Norden des Landes nur mit einer geringeren Jobdichte ausgestattet, so dass Flexibilität einfach nötig ist.

Mein Tipp:
Sucht euch frühzeitig externe Kontakte. Schreibt eure Arbeiten extern und werdet euch klar, was im Berufsleben wirklich notwendig ist, wenn ihr nicht an der Uni bleiben wollt. ;-)

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Beitrag von HerrSultan » Mo, 23. Jun. 14, 09:25

Habe damals (2011) auch die Erfahrung gemacht, dass zumindest an attraktiven Standorten wie Hamburg kein Mangel an Absolventen herrscht. Ich würde sogar sagen, dass das für alle Studiengänge gilt. Da hilft es aber nicht, zu jammern, sondern nur, Kompromisse einzugehen. Muss ja nicht gleich der Job für's Leben sein.

Einen Mangel gibt es schon, aber das betrifft eher Spezialisten (in meinem Fall: Entwickler) mit Berufserfahrung. Mit ein paar Jahren Berufspraxis auf dem Lebenslauf wird es dann auch deutlich leichter, was schönes zu finden.

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Beitrag von saps » Di, 24. Jun. 14, 23:31

Meine Meinung:

ja, es gibt einen Mangel an Fachkräften. Das Problem ist nur, dass jeder dahergelaufene Absolvent denkt, er sein eine Fachkraft, auch wenn er noch nie ein Firma von innen gesehen hat. Null Büroerfahrung heisst minimum 1 Jahr intensive Einarbeitung.

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Beitrag von M.Pole » Mi, 25. Jun. 14, 12:51

Fachkräftemangel gibt es in sofern, dass die Anforderungen nicht zur Bezahlung passen.

Viele Firmen suchen niemanden und viele Dienstleister bzw. Firmen suchen die wollmilchlegende Sau aber die Bezahlung dafür ist unterirdisch.
Ich habe eine Ausbildung gemacht, Diplomarbeit extern gemacht, Auslandserfahrung und eine Doppeldiplomierung über ein Auslandsstudium und sehr gute Noten, aber trotzdem war es nicht einfach etwas vernüfntiges zu finden.
Von Fachkräftemangel habe ich nichts gemerkt und sehr lange gesucht bzw. viele negative Antworten auf meine Bewerbungen bekommen (an der Form lags nicht).

Fabulus
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Beitrag von Fabulus » Mi, 25. Jun. 14, 16:53

Das hört sich ja nicht gerade hoch motivierend an :shock: Naja, werde ich es auf mich zukommen lassen :wink: Oder ich setze mich ins Beamtentum ab *lol*

Ich habe jetzt in Summe auch circa 1 Jahr Vollzeit-Industrieerfahrung während des Studiums gesammelt, aber auch nie den Eindruck gehabt, dass die Firmen wirklich händeringend suchen würden. Die meisten meiner Kollegen haben hier nix gefunden, sondern sind in den Süden (Bayern, Bawü, Schweiz) und NRW gegangen... Einige gleich ganz weg aus Europa.

Mich nervt halt nur dieses Bild, das in der Öffentlichkeit&Medien vermittelt wird. Meine Familie und Bekannten, die kommen mir alle paar Wochen a la: "Mensch Du, euch Ingenieure kann man ja nur beneiden! Ihr werdet ja sozusagen schon während der Abschlussarbeit befördert, findet ja quasi an jeder Ecke Arbeit! Und dazu noch bestbezahlt! Du hast eine große Zukunft!

Ich kann diesen Schmonz nicht mehr hören :lol:

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Beitrag von M.Pole » Mi, 25. Jun. 14, 23:00

Fabulus hat geschrieben:Das hört sich ja nicht gerade hoch motivierend an :shock: Naja, werde ich es auf mich zukommen lassen :wink: Oder ich setze mich ins Beamtentum ab *lol*

Ich habe jetzt in Summe auch circa 1 Jahr Vollzeit-Industrieerfahrung während des Studiums gesammelt, aber auch nie den Eindruck gehabt, dass die Firmen wirklich händeringend suchen würden. Die meisten meiner Kollegen haben hier nix gefunden, sondern sind in den Süden (Bayern, Bawü, Schweiz) und NRW gegangen... Einige gleich ganz weg aus Europa.

Mich nervt halt nur dieses Bild, das in der Öffentlichkeit&Medien vermittelt wird. Meine Familie und Bekannten, die kommen mir alle paar Wochen a la: "Mensch Du, euch Ingenieure kann man ja nur beneiden! Ihr werdet ja sozusagen schon während der Abschlussarbeit befördert, findet ja quasi an jeder Ecke Arbeit! Und dazu noch bestbezahlt! Du hast eine große Zukunft!

Ich kann diesen Schmonz nicht mehr hören :lol:
Ich kanns auch nicht mehr hören.
Im Süden Deutschlands sieht es deutlich besser aus. Speziell Hamburg ist leider deutlich überlaufen von Ingenieuren.
Dennoch gibt es Stellen die aufgrund zu hoher Ansprüche ewig (seit nunmehr fast 2 Jahren in meiner Abteilung) nicht besetzt werden.
Wer gute Kenntnisse in Elektrotechnik hat, SPS Programmierung beherscht (SCL), nicht vor Projektmanagement zurückschreckt und Interesse hat bei einem Automobilhersteller im Norden anzufangen kann sich gerne mal bei mir melden.

Meiner Meinung nach hat man bei kleineren/unbekannten Unternehmen die besseren Chancen. Jede Art von Beziehung/Bekanntschaften hilft auch bei der Jobsuche.

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Beitrag von Fabulus » Fr, 27. Jun. 14, 01:42

M.Pole hat geschrieben: Ich kanns auch nicht mehr hören.
Dachte schon, ich wäre der einzige :lol:
M.Pole hat geschrieben:Im Süden Deutschlands sieht es deutlich besser aus. Speziell Hamburg ist leider deutlich überlaufen von Ingenieuren.
Das stimmt! Leider nutzt der Norden sein Potential nicht, unter anderem begründet in der Kleinstaaterei hier. Eine Länderfusion (Stichwort: Nordstaat) würde imho gerade im Norden viel bringen...
M.Pole hat geschrieben:Dennoch gibt es Stellen die aufgrund zu hoher Ansprüche ewig (seit nunmehr fast 2 Jahren in meiner Abteilung) nicht besetzt werden.
Zu hohe Ansprüche seitens der Bewerber oder Arbeitgeber? :?:
M.Pole hat geschrieben:Meiner Meinung nach hat man bei kleineren/unbekannten Unternehmen die besseren Chancen.

Ebenfalls meine Erfahrung. :wink:
Außerdem lernt man da i.d.R. mehr, finde ich.

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Beitrag von Deep Blue Sea » Fr, 27. Jun. 14, 21:45

"Ignoranti quem portum petat nullus suus ventus est."

("Wenn man nicht weiß, welchen Hafen man ansteuert, ist kein Wind günstig.")

Ich stelle bei vielen Kommilitonen mit entsetzen fest, dass sie selbst am Ende vom Masterstudium z.T. nicht wirklich wissen wohin damit.

Als Erstie hatte ich viel Gelächter und Gespött geerntet und tue es bis heute, weil ich seit dem ersten Semester als Freak in einem bestimmten Bereich gelte. Nur war das so, dass sich deutschlandweit ein einziges Unternehmen damit beschäftigt. Seit dem zweiten Semester bin ich bei diesem Unternehmen regelmäßig präsent, kenne viele Leute dort, u.A. dank meinen Hobbys, habe die Bachelorarbeit dort geschrieben, schreibe bald die Masterarbeit wieder dort, führe Gespräche wegen der Promotion.

Das Geld ist im Beruf etwas sekundäres. Primär ist die Faszination und Selbstverwirklichung. Erreichen kann man es nur wenn man weiß was man im Leben will. Wer das erreicht, wird häufig mit besserem Geld belohnt. Und zwar unabhängig von der Konjunktur...
Ignoranti quem portum petat nullus suus ventus est.
Seneca, "Epistulae morales ad Lucilium", VIII, LXXI, 3

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